Schlüsselelemente

 

1) Reinhard Gehlen

 

Reinhard Gehlen war Generalmajor der Wehrmacht, Leiter der Abteilung Fremde Heere Ost (FHO) des deutschen Generalstabs, Leiter der Organisation Gehlen und erster Präsident des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND). Obwohl Gehlen sich nie mit Geheimdienstarbeit beschäftigt hatte, überdies keine Fremdsprache sprach und keine Kenntnisse über die Sowjetunion vorweisen konnte, wurde er zum Chef der „Abteilung Fremde Heere Ost“ ernannt und war somit auch Chef der Ostspionage.

 

Fremde Heere Ost

 

Zügig baute er seine Behörde um. Sie konnte, ohne andere Dienststellen einbeziehen zu müssen, Nachrichten integriert auswerten. Gehlen bekam Informationen auch durch drastische Massenbefragungen von Kriegsgefangenen. Nach der Niederlage bei Stalingrad im Winter 1942/43 arbeitete Gehlen mit dem Auslandsnachrichtendienst der SS unter der Leitung von Walter Schellenberg zusammen.

 

Ab Oktober 1944 plante Gehlen für die Zeit nach dem Krieg. Dafür entwickelte er eine Hypothese, die sich später als richtig erwies: „Die Westmächte werden sich gegen den Verbündeten Russland wenden. Dabei werden sie mich, meine Mitarbeiter und meine kopierten Dokumente im Kampf gegen eine kommunistische Expansion benötigen, weil sie selbst keine Agenten dort besitzen.“

 

Anfang März 1945, rechtzeitig vor Kriegsende, ließ Gehlen die gesamten nachrichtendienstlichen Materialien von wenigen handverlesenen Mitarbeitern auf Mikrofilm vervielfältigen und, in wasserdichten Fässern verpackt, verteilt auf mehreren Bergwiesen, in den österreichischen Alpen vergraben.

 

Am 9. April 1945 hatte Hitler Gehlen entlassen. Schließlich stellte er sich zusammen mit sechs Offizieren am 22. Mai 1945 amerikanischen Soldaten.

 

Gehlen musste erreichen, dass er für seine Handlungen an der Ostfront nicht, wie zwischen den Alliierten verabredet, an die Sowjetunion ausgeliefert wurde. Deshalb versuchte er den ihn vernehmenden Amerikanern seine Bedeutung für die Nachkriegszeit zu verdeutlichen. Die von Gehlen versteckten Dokumentenkisten wurden ausgegraben und ins document center nach Höchst gebracht.

 

Gehlen wurde schließlich 1945 mit sechs ehemaligen Mitarbeitern und den Dokumenten nach Washington ausgeflogen. Die Alliierten nahmen wie im Fall Gehlen zunächst auch andere Experten in Gewahrsam, unter anderen den Raketenforscher Wernher von Braun und die Atomphysiker um Otto Hahn.

 

Gründung der Organisation Gehlen

 

Über den Ablauf und das Ergebnis der Vernehmung in den USA ist nichts Genaues bekannt. Arbeitsgrundlage war folgende mündliche Übereinkunft:

 1.Es wird eine deutsche nachrichtendienstliche Organisation unter Benutzung des vorhandenen Potenzials geschaffen, die nach Osten aufklärt bzw. die alte Arbeit im gleichen Sinn fortsetzt. Die Grundlage ist das gemeinsame Interesse an der Verteidigung gegen den Kommunismus.

2.Die deutsche Organisation arbeitet nicht für oder unter den Amerikanern, sondern mit den Amerikanern zusammen.

3.Die Organisation arbeitet unter ausschließlicher deutscher Führung, die ihre Aufgaben von amerikanischer Seite gestellt bekommt, solange in Deutschland noch keine deutsche Regierung besteht.

4.Die Organisation wird von amerikanischer Seite finanziert … Dafür liefert sie alle Aufklärungsergebnisse an die Amerikaner.

5.Sobald wieder eine souveräne deutsche Regierung besteht, obliegt dieser Regierung die Entscheidung darüber, ob die Arbeit fortgesetzt werden soll oder nicht …

6.Sollte die Organisation einmal vor der Lage stehen, in der das amerikanische und deutsche Interesse voneinander abweichen, so steht es der Organisation frei, der Linie des deutschen Interesses zu folgen.

 

Ab dem 6. Dezember 1947 wurde die Organisation in Pullach untergebracht. Die Zentrale des BND befindet sich noch heute dort. Ab dem 1. Juli 1949 übernahm die antikommunistische CIA die Organisation Gehlen. Die Organisation Gehlen nahm eine Doppelfunktion für die CIA und die noch junge Bundesrepublik Deutschland wahr. Sie war ähnlich aufgebaut wie ihr Vorläufer Fremde Heere Ost: Leitung durch Gehlen. Sie setzen auch ihre bewährten Methoden ein: Kriegsgefangene, ehemalige Zwangsarbeiter und Flüchtlinge wurden in Auffanglagern systematisch ausgefragt.

 

Reinhard Gehlen selbst verstand seine Organisation von Anfang an als eine Vorform eines irgendwann eigenständigen deutschen Nachrichtendienstes. Konrad Adenauer wurde von den Alliierten keine große Wahl bei der Berufung des eigenen Sicherheitsapparats gelassen. Daher war ihm klar, dass ein völlig unabhängiger westdeutscher Auslandsnachrichtendienst genauso undenkbar war wie eine unabhängige westdeutsche Armee. So akzeptierte er die Umwandlung der Organisation Gehlen, in der eine Reihe ehemaliger Wehrmachtsoffiziere, RSHA- und SS-Mitglieder als Personalreserve „geparkt“ waren. Gehlen verheimlichte ihre Identität, um sie vor dem Zugriff der Alliierten zu schützen und eine Entnazifizierung zu erschweren.

 

Nach 1950 nahm Gehlen verstärkt Kontakt zur Adenauer-Regierung und zur SPD-Opposition auf. Gehlen verstand es, in den ersten zehn Jahren nach Ende des Krieges durch die Anwerbung auch vieler Geheimdienstler mit zweifelhafter NS-Vergangenheit schnell einen professionellen Nachrichtendienst aufzubauen. Dieser war aber auch eben wegen dieser Belasteten von potentiellen Verrätern durchsetzt.

 

Gründung des Bundesnachrichtendienstes

 

Am 1. April 1956 ging aus der „Organisation Gehlen“ der BND hervor, dessen Präsident Gehlen bis 1968 war. Sein Deckname war Dr. Schneider. Mit dem technischen Wandel der Geheimdienstarbeit und unter dem Vorbild des großen Bruders USA verlagerte sich die Informationsbeschaffung zusehends von menschlichen Zuträgern zu leistungsstarken technischen Mitteln.

Reinhard Gehlen verhalf dem engsten Mitarbeiter von Adolf Eichmann, dem in Israel und Österreich steckbrieflich gesuchten Alois Brunner, zur Flucht nach Syrien.

                                         

 

 

 

 

                                     Alois Brunner

Adolf Eichmann

 

 

 

 

 

 

2) Der Lebensborn

 

Ein nationalsozialistisches Werk, in dessen Heimen zumeist unverheiratete Frauen, die den sogenannten arischen Kriterien, blonde Haare und blaue Augen, entsprachen, ihre unehelichen Kinder unter den damals bestmöglichsten Umständen zur Welt bringen konnten. Viele dieser Neugeborenen wurden dann, mit neuen Namen und falschen Papieren ausgestattet, an regimetreue Familien vermittelt. Viele dieser Kinder ahnen bis heute nichts von ihrer wahren Identität. Prominentestes Beispiel eines Lebensborn Kindes ist die Sängerin Frida von der Popgruppe ABBA.

„Zwanzig Regimenter mehr“, sprach einst Heinrich Himmler, der das Projekt realisiert hatte. Und damit ist auch schon alles gesagt. Denn dem Deutschen Reich gingen nach zwei mörderischen Kriegen allmählich die Soldaten aus. Und so nahm sich der Lebensborn auch noch den entführten Kindern aus den besetzten Gebieten an. Insofern sie den bereits erwähnten Auswahlkriterien entsprachen. Die anderen wurden den zahllosen Vernichtungslagern zugeführt.

Heim Moselland war der einzige Ableger dieses Werks auf luxemburgischen Boden. Beheimatet war er im Bofferdinger Schloss. Dank des Vorrückens der alliierten Truppen wurde das Heim am 9. September 1944 geräumt.

 

                                

 

 3) Die Risiera Di San Sabba

 

 

 

 

Die Risiera

Der große, 1898 im Triester Randbezirk San Sabba errichtete Gebäudekomplex der ehemaligen Reismühle wurde von den nationalsozialistischen Besatzern zunächst als Stammlager für die nach dem 8. September 1943 gefangengenommenen italienischen Soldaten genutzt (Stalag 339). Ab Ende Oktober wurde hier ein Polizeihaftlager eingerichtet, das einerseits als Sammelstelle für die Deportationen nach Deutschland und Polen sowie als Lager für die beschlagnahmten Güter und andererseits als Internierungs- und Vernichtungslager für Geiseln, Partisanen, politische Gefangene und Juden diente.
Der erste große Raum, gleich links nach dem Eingang in der Unterführung, wurde die ”Todeszelle” genannt. Hier wurden die aus den Gefängnissen überführten und bei Säuberungsaktionen verhafteten Gefangenen zusammengepfercht und binnen weniger Stunden getötet und verbrannt. Laut Zeugenaussagen waren hier aber neben den Gefangenen auch die Leichen bereits getöteter Opfer untergebracht, bevor diese in das Krematorium transportiert wurden.
Geht man auf der linken Seite weiter, dann trifft man im Erdgeschoß des dreistöckigen Gebäudes, wo die Schneider- und Schusterwerkstätten (in der die Gefangenen eingesetzt wurden) sowie die Unterkünfte der Offiziere und Soldaten der SS untergebracht waren, auf 17 kleine Zellen, in denen jeweils bis zu sechs Gefangene eingesperrt wurden: diese Zellen waren vor allem für Partisanen, Politiker und Juden bestimmt, die binnen Tagen und manchmal Wochen hingerichtet wurden. In den ersten beiden Zellen wurden die Gefangenen gefoltert und mußten ihre persönlichen Gegenstände abgeben: man fand hier unter anderem Tausende Ausweise, die nicht nur den Gefangenen und Deportierten, sondern auch den zum Arbeitseinsatz eingezogenen Arbeitern abgenommen wurden. (Diese Ausweise wurden von den jugoslawischen Truppen, die nach der Flucht der Deutschen als erste in der Risiera eintrafen, nach Ljubljana geschickt und werden heute in den Archiven der Republik Slowenien aufbewahrt). An den Türen und Wänden der Todeszellen hatten die Opfer zahlreiche Inschriften und Gravierungen hinterlassen, die aber während der Besetzung der Reismühle durch die allierten Truppen und dem späteren Umbau in ein Auffanglager für italienische und ausländische Flüchtlinge, aber auch durch die Feuchtigkeit, den Staub und den zunehmenden Verfall zum größten Teil ausgelöscht wurden. Die Tagebücher von Diego de Henriquez, einem Experten und Sammler, legen Zeugnis davon ab. Sie werden heute im Städtischen Kriegs- und Friedens-museum (Civico Museo di guerra per la pace), das nach ihm benannt wurde, aufbewahrt. Dort befinden sich auch die originalgetreuen Abschriften seiner Tagebücher. In der historischen Ausstellung in der Risiera sind einige Auszüge zu sehen.
In dem angrenzenden vierstöckigen Gebäude waren in großen Gemeinschaftsräumen Juden, Militärs und Zivilgefangene eingesperrt, die größtenteils nach Deutschland deportiert wurden: Männer und Frauen jeden Alters, aber auch wenige Monate alte Kleinkinder.
Von hier aus wurden sie nach Dachau, Auschwitz und Mauthausen gebracht, wo sie ein tragisches Schicksal erwartete, dem nur wenige entkommen sind.
Der Bischof von Triest, Monsignor Santin, setzte sich bei den deutschen Behörden persönlich für die in der Risiera Inhaftieten und vor allem für die sogenannten «gemischten Gefangenen» (mit Katholiken verheiratete Juden) ein. In manchen Fällen hatte er Erfolg (die Freilassung von Giani Stuparich und seiner Familie), in anderen nicht (Pia Rimini). Im Innenhof, gegenüber von den Zellen, an der Stelle, die heute durch die Stahlplattform gekennzeichnet ist, stand die Vernichtungsstätte mit dem Verbrennungsofen – der Umriß ist noch am Zentralgebäude zu erkennen. Zu der unterirdischen Vernichtungsanlage führte eine Treppe hinunter. Ein unterirdischer Kanal, dessen Verlauf ebenfalls an der Stahlrampe erkennbar ist, verband den Ofen mit dem Kamin. Auf der Stahlplattform des Kamins steht heute eine aus drei Metallprofilen bestehende Pietà, welche die aus dem Kamin aufsteigende Rauchspirale symbolisiert. Nachdem die Nazis von Januar bis März 1944 den bestehenden Trockenofen benutzt hatten, wurde dieser nach einem Entwurf des «Experten» Erwin Lambert, der bereits für mehrere nationalsozialistische Vernictungslager in Polen Verbrennungsöfen gebaut hatte, in einen Krematoriumsofen umgebaut, in dem eine größere Anzahl Leichen verbrannt werden konnte. Die neue Anlage wurde am 4. April 1944 getestet. Dabei wurden die Leichen von 70 Geiseln verbrannt, die am Vortag am Schießplatz in Opicina erschossen wurden.
Vor ihrer Flucht in der Nacht vom 29. auf den 30. April 1945 sprengten die Nazis das Gebäude mit dem Verbrennungsofen und dem Kamin, um die Spuren ihrer Verbrechen zu vernichten; auf die gleiche Weise verfuhren sie auch in anderen Lagern. Unter den Trümmern wurden Knochenreste und Asche gefunden, die in drei Papiersäcken, wie sie gewöhnlich für Zement verwendet werden, eingesammelt wurden.
In den Trümmern wurde außerdem ein Knüppel gefunden, von dem Giuseppe Novelli im Jahr 2000 eine Kopie anfertigte und der Risiera überließ. Die Kopie ist heute im Museum zu sehen (das Original wurde leider 1981 entwendet).
Über die angewandten Tötungsmethoden gibt es mehrere Vermutungen, die wahrscheinlich alle zutreffen: Vergasung in speziell ausgestatteten Fahrzeugen, Genickschlag oder Erschießung. Bei der Hinrichtung durch Genickschlag waren viele der Opfer nicht sofort tot, so daß auch Lebende verbrannt wurden. Motorlärm, das Bellen aufgehetzter Hunde und laute Musik übertönten die Schreie der Opfer bei den Exekutionen.
Das sechsstöckige Zentralgebäude diente als Kaserne: in den oberen Stockwerken befanden sich die Unterkünfte der deuschen, ukrainischen und italienischen SS-Soldaten (letztere waren in der Risiera als Bewacher tätig); im unteren Stockwerk, wo heute das Museum untergebracht ist, befanden sich die Küchen und die Kantine. In dem Gebäude, das heute ein Gotteshaus aller Konfessionen ist, wurden während der Besatzungszeit die Fahrzeuge der in San Sabba stationierten SS untergestellt. Hier standen auch die schwarzen Lastwagen, in denen die Opfer wahrscheinlich vergast wurden, indem der Auspuff mit einem Einlaß am Kastenaufbau verbunden wurde. In dem kleinen Gebäude außen links befanden sich der Wachposten und die Wohnung des Kommandeurs. Rechts auf der Grünfläche stand damals ein dreistöckiges Gebäude mit Büroräumen und Unterkünften für die Unteroffiziere und die ukrainischen Frauen.
Wie hoch war die Zahl der Opfer?
Nach den auf Zeugenaussagen beruhenden Berechnungen wurden in der Risiera zwischen dreitausend und fünftausend Menschen getötet. Aber die Zahl der Gefangenen und bei ”Säuberungsaktionen” Verhafteten, die in die Risiera gebracht und anschließend in die Lager oder zum Arbeitseinsatz geschickt wurden, ist weitaus größer. Triestiner, Friulaner, Istrianer, Slowenen und Kroaten, Soldaten, Juden: in der Risiera wurden einige der besten ”Kader” des Widerstands und des Antifaschismus ermordet. 

 

Das Adriatische Küstenland

Als die italienische Monarchie am 8. September 1943 ihr Bündnis mit Deutschland brach und den Waffenstillstand ausrief, war Julisch-Venetien de facto nicht mehr Teil des italienischen Staates und wurde mit der Schaffung des Einsatzgebietes des ”Adriatischen Küstenlandes” direkt der Reichsverwaltung unterstellt.
Mit der Errichtung des ”Adriatischen Küstenlandes”, dem die Provinzen Udine, Triest, Görz, Pula, Rijeka und Ljubljana angehörten, wurde der faktische Anschluß eines weiten Gebietes im oberen Adriaraum und im Sau-Becken an Deutschland besiegelt.
Mit der Verwaltung des ”Küstenlandes” beauftragte Hitler den Gauleiter von Kärnten, Friedrich Rainer, ein österreichischer Nazi, der Italien haßte. Nach seiner ethnisch-rassischen Auffassung gehörte ein großer Teil Friauls und Julisch-Venetiens nicht zur italienischen Nation, so daß ihre Loslösung vom italienischen Staat auch unter diesem Gesichtspunkt gerechtfertigt war.
Am 1. Oktober 1943 übernahm ”Hochkommissar” Rainer die volle politische und verwaltungsrechtliche Macht und sicherte in kurzer Zeit seine nahezu unbegrenzte Hoheitsgewalt dadurch, daß er Präfekte und Bürgermeister deutschen ”Beratern” unterstellte und Vorschriften für den Einsatz der örtlichen italienischen, slowenischen und kroatischen Kollaborationsmilizen festlegte, die in unterschiedlicher Form und unter verschiedenen Namen für die Besatzer tätig waren.
In den Dienst der SS gelangten so die Verbände der faschistischen Miliz, die sich in diesem Fall nicht wie in der neu gegründeten Republik von Salò Republikanische Nationalgarde nannten, sondern die Bezeichnung ”Gebietsverteidigungsmiliz” erhielten, sowie die verschiedenen Polizeieinheiten, die unter anderem für Verhaftungs-aktionen eingesetzt wurden.
Dazu gehörte auch die Sonderinspektion der Polizei für Julisch-Venetien unter Führung des Generalinspekteurs Giuseppe Gueli, die ihren Sitz in der sogenannten «Villa Triste» in Via Bellosguardo hatte und die bereits im April 1942 zur Zerschlagung des Partisanenkampfes und zur Überwachung der Arbeiterklasse in den Großfabriken gegründet wurde. Diese Inspektion, deren Einsatzabteilung unter dem berüchtigten Namen «Banda Collotti» – nach ihrem Befehlshaber, Kommissar Gaetano Collotti – bekannt wurde, setzte ihren «Dienst» auch nach dem 8. September fort und unterstützte die Deutschen tatkräftig in ihrem Kampf gegen die Antifaschisten und bei der Verhaftung der Juden.
Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten in Triest etwa 5000 Juden. Nach dem Erlaß der Rassengesetze durch die Faschisten im Jahr 1938 und nachdem auch in Triest eines der berüchtigten ”Zentren zur Untersuchung der Judenfrage” eingerichtet wurde (in ganz Italien gab es davon vier), gingen viele Juden in die Emigration. Trotzdem gelang es den Nazis, mehr als 700 Triester Juden in die Vernichtungslager zu deportieren. Nur etwa zwei Dutzend von ihnen überlebten und kehrten zurück. In der Risiera wurden neben den aus Triest stammenden Juden auch viele in Venetien, Friaul, Rijeka und Dalmatien verhaftete Juden gefangengehalten und später deportiert.
Für die polizeiliche Überwachung, die politische und rassische Unterdrückung sowie die Zerschlagung des Widerstands war die SS-Führung zuständig. Ihr Befehlshaber, Odilo Lotario Globocnik, ein in Triest geborener Gefolgsmann Himmlers, der bereits für die Ermordung von mehr als 2,5 Millionen Juden in Polen verantwortlich war (”Aktion Reinhard”), trat seinen Dienst in Triest mit einer großen Gefolgschaft von ”Exekutionsexperten” an, die sich zuvor schon bei Vernichtungsaktionen in Deutschland, Polen und in der Sowjetunion sowie in den polnischen Todeslagern Belzec, Sobibor und Treblinka auf finstere Weise bewährt hatten. Zusammen mit Globocnik trafen auch die Angehörigen des ”Einsatzkommando Reinhard” in Triest ein: 92 Experten, darunter zahlreiche ukrainische SS-Männer und Frauen.
Die Einsatzgruppen oder Einsatzkommandos waren Spezialeinheiten, deren Aufgabe es war, ”im Rücken der kämpfenden Truppen den Vernichtungsschlag gegen die feindlichen Gegner des Reichs zu führen”. Darüber hinaus wurden sie mit besonders ”anspruchsvollen” Aufgaben zur Durchsetzung der Besatzungs-, Repressions- und Vernichtungspolitik des Dritten Reiches in den besetzten Gebieten betraut. Diese Gruppen unterstanden dem RSHA (Reichssicherheits-hauptamt), das wiederum dem Innenministerium unter Leitung des Reichführers SS und Ministers Heinrich Himmler unterstellt war.
Nur wenige Tage nach dem 8. September traf Christian Wirth in Triest ein, begleitet von einigen seiner Männer, die an der ”Aktion Tiergarten 4” beteiligt waren, d.h. die bereits seit 1939 an der Ermordung von ”unheilbar Kranken” in Deutschland und später auch von Gefangenen in den Konzentrationslagern, die mit gefälschten ärztlichen Attesten für ”unheilbar” erklärt wurden, mitgewirkt hatten.
Das ”Einsatzkommando Reinhard” richtete mehrere Gebietsstellen ein, die mit der Abkürzung R gekennzeichnet waren. R1 für die Gebietsstelle in Triest, R2 für jene in Udine und R3 für jene in Rijeka. Diese Abkürzung fand sich in den Unterlagen und an den Zellen der Risiera. Der erste Befehlshaber des Einsatzkommandos in Triest war Christian Wirth. Als Wirth am 26. Mai 1944 von Partisanen in einen Hinterhalt gelockt und erschossen wurde, trat August Dietrich Allers an seine Stelle. Zu seiner rechten Hand und zum Kommandeur der Risiera ernannte Allers Joseph Oberhauser.
Die Tatsache, daß ein so hochstehender ”Führungsstab” für die Leitung und die Organisation der europäischen Vernichtungspolitik im ”Adriatischen Küstenland” verantwortlich war, beruhte auf der enormen Bedeutung, die dieses Gebiet für das Reich hatte.
Das ”Küstenland” war die letzte europäische Eroberung des nationalsozialistischen Imperialismus. Triest, Istrien und Friaul wurden zu einer wirtschaftlichen und politischen Drehscheibe der germanischen Expansionspolitik in Südeuropa und im Mittelmeer-raum und waren gleichzeitig ein wichtiges strategisches ”Scharnier” zwischen dem vom Partisanenkrieg verwüsteten und vom russischen Vormasch bedrohten Balkan, der italienischen Front und Süd-deutschland. Aber der weitere Verlauf des Krieges und der heroische Aufstand der einheimischen Bevölkerung zwangen die nationalsozialistische Repressionsmaschinerie schließlich zur Aufgabe ihrer letzten Gebietseroberung.

 

Der Prozess

Der Prozeß gegen die Verantwortlichen für die während der deutschen Besatzung in der Risiera di San Sabba begangenen Verbrechen endete im April 1976, nach dreißig Jahren.
Unter den Angeklagten waren zwei Nazis: Joseph Oberhauser, ein Bierbrauer aus München, und der Rechtsanwalt August Dietrich Allers aus Hamburg. Der erste war Kommandeur der Risiera, der zweite war sein direkter Vorgesetzter und zwar seit der ”Aktion Tiergarten 4”, die mit der Organisation des Euthanasie-Programms zur Vernichtung geistig und körperlich Behinderter in Deutschland und Österreich betraut war. Als mutige Kirchenführer in Deutschland gegen das Euthanasie-Programm protestierten, wurde diesesgestoppt – nach Angaben des Nürnberger Gerichtes waren im Namen der ”Rassensäuberung” bereits etwa 100.000 sogenannte ”lebens-unwerte Leben” ausgelöscht worden – und die Mitarbeiter der ”Aktion T4” wurden nach Polen geschickt, um in den Vernichtungslagern in Treblinka, Sobibor und Belzec die ”Endlösung” vorzubereiten.
Nach offiziellen polnischen Schätzungen – die zu den zuverlässigsten zählen – wurden in diesen Lagern zwei Millionen Juden und 52.000 Zigeuner (davon rund ein Drittel Kinder) ermordet. Nachdem ihr Auftrag in Polen beendet war, wurden diese Leute nach Italien geschickt und richteten sich in Triest ein. Unter ihnen waren auch Franz Stangl, der ”Henker von Treblinka”, der laut einem deutschen Gericht für den Tod von 900.000 Menschen verantwortlich war, und Erwin Lambert, der Fachmann für den Bau von Verbrennungsöfen.
Bei dem Prozeß über die in der Risiera di San Sabba begangenen Verbrechen blieb die Anklagebank leer: viele der Verantwortlichen waren von den Partisanen hingerichtet worden, andere waren eines natürlichen Todes gestorben. August Dietrich Allers verstarb im März 1975, Joseph Oberhauser verkaufte weiterhin Bier in München. Die italienischen Gerichte stellten keinen Auslieferungsantrag, da sich die entsprechenden Abkommen zwischen Italien und Deutschland auf nach 1948 begangene Verbrechen beschränken. Der Prozeß endete mit der Verurteilung Oberhausers zu lebenslänglicher Haft. Der NaziVerbrecher starb am 22. November 1979 im Alter von 65 Jahren. Ein sinnloser Prozeß also? Abgesehen vom ursprünglichen Verfahrenasatz, der sich auf eine unglaubhafte und inakzeptable Unterscheidung zwischen ”unschuldigen Opfern” und ”schuldigen Opfern” stützte, abgesehen von einer formalistischen Logik, mit der man versuchte, die kriminellen Handlungen von ihren historischen und politischen Wurzeln zu trennen und abgesehen davon, daß die verhängte Strafe nie verbüßt wurde, bleibt doch die Tatsache, daß der über dem Lager von San Sabba liegende Schleier des Schweigens nach dreißig Jahren gelüftet wurde.
Simon Wiesenthal, ein Jude, der sein ganzes Leben damit verbrachte, die Nazi-Verbrechen aufzuklären und die Verantwortlichen aufzuspüren, sagte über den Prozeß: ”Es ist nicht nur der Anspruch auf Gerechtigkeit, sondern es ist auch eine Frage der Aufklärung. Alle sollen wissen, daß Verbrechen wie diese nicht in Vergessenheit geraten und nicht verjähren. Jeder, der an einen neuen Nationalsozialismus oder an einen neuen Faschismus denkt, muß wissen, daß am Ende stets die Gerechtigkeit siegt. Auch wenn sich die Räder der  Justiz langsam drehen.”

(Quelle: Risiera di San Sabba: offizielle Seite)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Max Graf

Autor